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Kein nationaler Heiliger

Begegnung mit dem heiligen Gorgonius im Mindener Dom

Wer keine Beziehung zum Mindener Dom hat, wird mit dem Namen Gorgonius kaum etwas anfangen können. Er ist kein nationaler Heiliger, keiner, der in der Weltkirche bekannt wäre. Viele Besucher des Mindener Domes begegnen zum ersten Mal in ihrem Leben dem Namen des heiligen Gorgonius.

Und doch ist es spannend, auf seinen Spuren zu wandeln und seine Lebensgeschichte – auch die nach seinem Tode – zu verfolgen. Wenn auch die Quellen spärlich sind, ist immerhin auf ein Wandgemälde in einer römischen Katakombe hinzuweisen, auf dem der heilige Gorgonius abgebildet ist; damit wird seine Existenz historisch bezeugt. Wahrscheinlich wurde Gorgonius um 265 in Rom geboren. Durch eine ausgezeichnete Erziehung kam er mit dem kaiserlichen Palast in Berührung und konnte durch die Gunst des Kaisers zu einem hohen Palastoffizier aufsteigen. Kaiser Diokletian bewunderte seine Qualitäten und machte ihn zum Kammerherrn der kaiserliche Kammer in Nikomedien, wo er Hof hielt.

Kein nationaler Heiliger: Gorgonius.Gorgonius, der schon früh Christ geworden war, warb unter den Hofleuten und Offizieren für den christlichen Glauben. Um 300 flammte im Lande erneut eine Christenverfolgung auf, der sich auch Diokletian anschloss. Als vor den Augen des Palastoffiziers Gorgonius viele Christen zu Tode gequält wurden, weil sie den heidnischen Göttern nicht opfern wollten, bekannte auch er sich zum christlichen Glauben und forderte ein Ende des Massakers. Dieser mutige Einsatz für die verfolgten Glaubensbrüder brachte auch ihm im Jahre 303 einen qualvollen Tod. Durch wunderbare Fügung gelang es den Christen, seinen Leichnam nach Rom zu schaffen, wo er im frühchristlichen Coemeterium an der Via Labicana, später in St. Peter beigesetzt wurde.

Über den weiteren Weg der Gebeine bestehen unterschiedliche Berichte. Der eine besagt, dass Bischof Chrodegang von Metz sie 754 in das von ihm gestiftete Kloster Gorze in Lothringen transferiert hat. Auf dem Transport sollen die Mönche von St. Maurice, als er dort übernachtete, die Reliquien wegen der vielen Wunder, die am Wege geschahen, gestohlen haben. Auf den Druck des Königs Pippin mussten sie den Leichnam an Bischof Chrodegang wieder herausgeben. Vom Benediktinerkloster Gorze sind fast 200 Jahre später die Gebeine durch die Initiative der beiden Mindener Bischöfe Liuthar (914 – 927) und Ebergis (927 – 959), die gleichzeitig Äbte des Benediktinerklosters Lorsch am Rhein, einem Tochterkloster von Gorze, waren, nach Minden gekommen. In einer großen translatio Gorgonii wurden die Gebeine am 11. März 925 in Verbindung mit der Weihe des so genannten Helmwarddomes unter starker Beteiligung der Bevölkerung in Minden beigesetzt. Durch diese Überführung rückte Gorgonius als Patron des Domes an die erste Stelle und er hl. Petrus an die zweite Stelle.

Nach neueren Forschungsberichten wurde ein Teil der Gebeine bereits im Jahre 848 aus Rom direkt nach Minden überführt. Wahrscheinlich kamen in der Mitte des 10. Jahrhunderts weitere Reliquien aus dem Reformkloster Gorze hinzu, sodass beide Daten ihre Berechtigung haben.

Auf diesem geschichtlichen Hintergrund erklären sich die Reliquienbehälter des hl. Gorgonius in der Mindener Domschatzkammer, neben dem wertvollen Reliquienarm aus dem 2. Viertel des 15. Jahrhundert auch die Statuette dieses Heiligen. Sie ist um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Westfalen entstanden, war in Silber getrieben und zum Teil vergoldet. Der Heilige ist in der mittelalterlichen Ritterrüstung aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dargestellt, ohne Helm, frontal zum Betrachter gewendet. In seiner herabhängenden linken Hand hat er vermutlich ein Schwert getragen. Das Gesicht ist grob gearbeitet, die Augen blicken starr nach oben, das Haar ist üppig und mittellang. Von der Schulter herab fällt ein Umhang. Die offene Rückseite der Figur deutet darauf hin, dass sie ursprünglich an einem Schrein befestigt war. Der Heiligenschein über dem Kopf trägt die umlaufende Inschrift "sanctus ghorghonnius".

Bis heute wird in Minden der Patron des Domes in der Liturgie am 11. März unter dem Titel "Fest des Empfanges der heiligen Reliquien" und vor allem am 9. September, dem Gedenktag des Heiligen verehrt.

Nächstes Objekt des Domschatzes: Laurentius - der Nebenpatron

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