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Brand auf wunderliche Weise überstanden

Die Reliquienbüste der heiligen Maria Magdalena in der Mindener Domschatzkammer

Wer vor dem Isenheimer Altar von Matthias Grünewald in Colmar steht und sich die Kreuzigung Jesu anschaut, die der Künstler für ein Siechenheim gemalt hatte, entdeckt am Fuße des Kreuzes eine der eindruckvollsten Darstellungen der hl. Maria Magdalena. Sie war Begleiterin Jesu, der sie von einer dämonischen Besessenheit befreit hatte (Lk 8,2). Aus tiefer Dankbarkeit für diese Heilung hat sie ihn bis unter das Kreuz begleitet. Grünewald hat ihren unsagbaren Schmerz auf ergreifende Weise zum Ausdruck gebracht. Das vor ihr stehende Gefäß mit Salböl ist bereits ein Hinweis auf seine Auferstehung, deren erste Zeugin sie sein darf. Maria Magdalena kann nicht mit der Sünderin (Lk 7,36 – 50) zu einer Person, wie es oft geschieht, vereinigt werden. Das ist exegetisch nicht haltbar. Sie darf auch nicht mit Maria von Bethanien, der Schwester der Martha (Lk 10,38 – 42) und des Bruders Lazarus identifiziert werden. Ihre Charaktere sind viel zu unterschiedlich.

Reliquienbüste der heiligen Maria Magdalena.Jesus hat später seiner treuen Begleiterin eine besondere Gunst erwiesen: Nach seiner Auferstehung ist er nicht zuerst dem Petrus oder einem anderen Apostel erschienen, sondern Maria Magdalena, deren zweiter Name auf ihren Herkunftsort Magdala hinweist. Auch eine der neuen Glocken des Mindener Domes trägt ihren Namen mit der Inschrift: "Du, Maria von Magdala, durftest als erste dem Auferstandenen begegnen. Zu allen Zeiten will ich mit meinem Klang verkünden: Er ist auferstanden" (Mt 28,6).

Während den anderen Frauen am Grabe ein Engel erschienen ist, der ihnen die Auferstehung Jesu verkündete, wurde allein Maria Magdalena mit einer Erscheinung des Auferstandenen selber beehrt (Joh 20,1 – 18).

Um das weitere Leben der Heiligen ranken sich viele Legenden. Die bekannteste davon berichtet, dass Maria Magdalena auf einem Schiff nach Südfrankreich gekommen sei und dort das Evangelium verkündet habe. So ist die starke Verehrung diese Heiligen in Frankreich zu erklären, die ihren überragenden Ausdruck in dem Bau der weltberühmten Kathedrale Sainte Madeleine in Vézelay/Burgund (1120 – 1150) gefunden hat. In dieser spätromanisch-gotischen Kirche versammelten sich im Mittelalter die Wallfahrer, um nach Santiago de Compostella zu pilgern. Hier rief auch der hl. Berhard von Clairvaux zum Kreuzzug auf.

Als ein Mönch im 11. Jahrhundert die mutmaßlichen Reliquien von Maria Magdalena nach Vézeley gebracht hatte, begann der Ruhm dieses Ortes. Zu damaliger Zeit sind die Gläubigen immer wieder zu den Gebeinen der Heiligen gewallfahrtet, um an diesen Stätten zu beten. So war es auch in Minden. Jeder kirchliche Ort, der etwas auf sich hielt, war an Reliquien von großen Heiligen interessiert. Das hat das Ansehen eines solchen Ortes und seine Bedeutung in der Konkurrenz zu anderen Städten gehoben. Natürlich spielten auch geschäftliche Interessen in den Wallfahrtsorten eine Rolle.

Die Mindener Schatzkammer ist stolz auf einen Reliquienbehälter, der eine nahezu halbfigurige Büste der hl. Maria Magdalena darstellt. Das Werk stammt aus der Mitte des 13. Jahrhunderts und ist vielleicht in Sachsen entstanden. Es wird schon früh in den Mindener Chroniken erwähnt. In ihnen wird weiterhin berichtet, die Reliquie der hl. Maria Magdalena habe auf wunderbare Weise den Brand des Domes im Jahre 1062 überstanden, bei dem nahezu alle Reliquien des Domes verloren gingen. Über einem Holzkern, der durch den Bombenangriff 1945 stark verkohlt ist, war die Büste in Silberblech getrieben. Das Gesicht ist durch unerklärbare Farbauftragung vor 1940 leider arg geschwärzt. Spuren von Gold lassen auf eine frühere Vergoldung schließen.

Das Kleid der Büste entspricht der Frauentracht des 13. Jahrhunderts. Auf ihrem Haupt trägt die Heilige ein Kopftuch; ein Stirnband hält ihre Haare, und das Kinnband deutet darauf hin, dass sie verheiratet ist. Das Kopftuch fällt über das Kleid. Eine Öffnung auf dem Scheitel weist die Büste als Reliquiar aus, in dem früher Überbleibsel der Heiligen aufbewahrt wurden.

In der Literatur wird auf Ähnlichkeiten diese Heiligendarstellung mit Skulpturen im Westchor des Naumburger Domes aufmerksam gemacht, vornehmlich mit dem Gesicht der Uta von Naumburg (1250 – 1260). Diese stilistische Nähe gibt Hinweise sowohl auf die Entstehungszeit und den Entstehungsort der Mindener Reliquienbüste der hl. Maria Magdalena als auch auf ihre künstlerische Qualität.

Nächstes Objekt des Domschatzes: Reliquienbüste des heiligen Petrus

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