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Der Reliquienschrein der heiligen Valeria

Handwerker aus Limoges fertigten im Mittelalter ein seltenes Kleinod

In der katholischen Kirche hat die Verehrung der Heiligen immer eine große Rolle gespielt. Sie galten als Verkörperung einer christlichen Tugend, als Beispiel einer überzeugenden Menschen- und Gottesliebe und als Fürsprecher bei Gott.

Der Reliquienschrein der heiligen Valeria.Auch Martin Luther hat sie als Vorbilder anerkannt; vielleicht hat er sogar die heilige Mutter Anna im Augenblick einer drohenden Todesgefahr angerufen, ihm das Leben zu retten. Das Bedenken der evangelischen Christen gegenüber der Heiligenverehrung liegt in der Sorge begründet, die Heiligen könnten sich zwischen den Christen und Christus schieben und von den Betern als Vermittler des Heiles in Anspruch genommen werden.

Tatsächlich aber - das ist die übereinstimmende Auffassung katholischer und evangelischer Theologie - ist Jesus Christus der einzige Erlöser und Mittler des Heiles. Auch Maria kann nicht als Mit-Erlöserin bezeichnet werden.

Die Verehrung der Heiligen ist heute in der evangelischen Kirche weit verbreitet. Viele neuere evangelische Kirchen tragen den Namen eines Heiligen, dessen Leben den Gemeindegliedern nahe gebracht wird. So wird beispielsweise der hl. Martin mit seiner Mantelteilung auf die gegenwärtige Zeit hingedeutet und als Gegenakzent gegen die verbreiteten Egoismen den Kindern und Erwachsenen vor Augen geführt.

Auf einem solchen Hintergrund muss der Reliquienschrein der heiligen Valeria aus dem Jahr 1220 betrachtet werden. Er ist in Limoges/Frankreich, wo im Mittelalter künstlerisch herausragende Emaillewerkstätten existierten, entstanden.

Auf welchem Weg dieser wertvolle Schrein nach Minden gekommen ist, kann nicht genau nachgewiesen werden. Es ist bekannt, dass im 12. bis 13. Jahrhundert die Verehrung der heiligen Valeria stark in den Vordergrund getreten ist. Vermutlich haben Pilger auf ihrer Rückreise von Santiago de Compostella dieses Kästchen mit einer Reliquie der Heiligen aus Limoges, wo sie und ihr Bischof Martialis im 3. Jahrhundert gelebt haben sollen, nach Minden mitgebracht. Zwischen beiden Bischofsstädten bestand damals schon Gebetsbruderschaft.

Seitenansicht des Reliquienschreins.Der Mindener Schrein besitzt eine rechteckige Kastenform mit Satteldach und vier Beinen. Über einem Holzkern befinden sich verzierte, teils vergoldete Kupferplatten, die das Leben der heiligen Valeria darstellen.

Auch wenn die Biographie auf einer Legende aus dem 10. Jahrhundert beruht, soll dem Betrachter doch ihr Leben als ein leuchtendes Zeugnis des Glaubens vermittelt werden. Die Rückseite des Schreins ist ornamental in wechselnden Farben gestaltet; ein Fries aus rosettengefüllten Kreismedaillons ziert die Seitenwandung und das Dach.

Auf den beiden Stirnseiten steht die heilige Valeria in einer Mandorla (mandelförmiger Glorienschein, d. Red.), jeweils mit einem Buch in der Hand.

Die Vorderseite schildert das Schicksal der Heiligen. Nach ihrer Taufe durch den Bischof Martialis von Limoges soll sie ihre Verlobung mit dem heidnischen Herzog Stephan gelöst haben. Er ist auf der linken Seite mit dem Schwert abgebildet. Aus Wut über ihre Entscheidung habe er - so die Legende - die Enthauptung seiner Braut befohlen. Auf dem Schrein wird sie ohne Haupt, das sie in ihren Händen hält, dargestellt. Hinter ihr steht der Henker mit dem Schwert; über ihr aber schwebt ein Engel, der die Enthauptete zu ihrem Bischof führt, der sich zur Vorbereitung auf die Eucharistiefeier am Altar befindet. Hostie, Kelch und Kreuz sind deutlich zu erkennen. Der Bischof hat sich der Heiligen zugewandt und nimmt ihr Haupt entgegen.

Zum Lohn für dieses Glaubenszeugnis, das die Heilige gebracht hat, erscheint aus dem Himmel die Hand Gottes.

Im Dach des Schreins ist die Grablegung der Heiligen abgebildet. Zwei Engel halten das weiße Grabtuch; in der Mitte steht der Bischof mit seinem Stab, rechts und links zwei Heilige in fürbittender Haltung. Zwischen den Personen schweben viele kleine Rosetten, die die Herrlichkeit des Himmels andeuten.

Der Schrein der heiligen Valeria will uns sagen: Gott lässt niemals Menschen im Stich, die sich für ihn entscheiden. Gerade denen, die in Not, die ,kopflos" sind, schickt er seinen Engel, um sie zu führen und ihnen die Wege zu weisen. Der Valerienschrein verkündet die trostvolle Botschaft, dass in alle Nächte der Menschen der Himmel fallen kann. Gott will vor allem den Leidenden nahe sein.

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